Freie Wahl beim Wohnen auch für Menschen mit Behinderungen: Nationalrat stimmt längst fälliger Gesetzesrevision zu

Der Nationalrat stimmte heute einer Motion zu, welche die freie Wahl des Wohnorts und der Wohnform für Menschen mit Behinderungen und entsprechende ambulante Unterstützung fordert. Damit macht er einen wichtigen und überfälligen Schritt im Hinblick auf die Gleichstellung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Agile und InVIEdual hoffen, dass der Ständerat dem Entscheid folgt.

Der Nationalrat entschied sich mit 128 zu 52 Stimmen deutlich für die Annahme der Motion seiner Sozialkommission (SGK-N), die den Bundesrat beauftragt, das Bundesgesetz über die Institutionen zur Förderung der Eingliederung von invaliden Personen (IFEG) zu modernisieren. Es sollen zeitgemässe Rechtsgrundlagen geschaffen werden, damit Menschen mit Behinderungen ihre Wohnform und ihren Wohnort frei und selbstbestimmt wählen können und die dazu nötige Unterstützung erhalten. Damit will man verhindern, dass Menschen mit Behinderungen faktisch gezwungen werden, in einem Heim zu leben und von ihrem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Niederlassungsfreiheit nicht Gebrauch machen können. Aufgrund eines Ressourcentransfers kann dabei insgesamt ein kostenneutrales Resultat erzielt werden.

Aktuelles Gesetz widerspricht Grund- und Menschenrechten

Agile und InVIEdual begrüssen den Entscheid des Nationalrats. Seit langem setzen wir uns dafür ein, dass Menschen mit Behinderungen wie alle anderen auch ihr Recht, selbst zu entscheiden, wo, wie und mit wem sie wohnen und wie sie ihr Leben gestalten wollen, wahrnehmen können. Das seit 2008 geltende IFEG schränkt dieses Recht deutlich ein: Es verpflichtet die Kantone lediglich dazu, für Menschen mit Behinderungen ein Angebot an Institutionen – unter anderem Wohnheime und andere betreute kollektive Wohnformen – bereitzustellen. Die damit verbundenen Kosten müssen gedeckt werden, während die Finanzierung von ambulanter Versorgung im eigenen Zuhause nicht sichergestellt ist. Daraus entsteht indirekt ein «Heimzwang», der es Menschen mit Behinderungen verunmöglicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Das bestehende IFEG mit seinem Fokus auf Institutionen schränkt einerseits die Kantone ein, den ambulanten Bereich weiterzuentwickeln. Andererseits steht es im Widerspruch zu zentralen Grund- und Menschenrechten der Bundesverfassung sowie der UNO-Behindertenrechtskonvention, die die Schweiz im Jahr 2014 ratifiziert hat.

Die Umsetzung der Motion bietet eine Chance, längst fällige Korrekturen vorzunehmen. Agile und InVIEdual hoffen, dass der Ständerat dem Entscheid des Nationalrats folgt und dadurch ein Prozess in Gang gesetzt wird, in dem Bund und Kantone in Zusammenarbeit mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen zeitgemässe Rechtsgrundlagen für den Wohnbereich entwickeln können.

Kontakt

Silvia Raemy, Leiterin Kommunikation Agile / 031 390 39 39 / 079 384 91 84 / silvia.raemy@agile.ch

Simone Leuenberger, Geschäftsleiterin InVIEdual / 031 390 39 49 / 079 311 32 44 / info@inviedual.ch

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