Inklusive Bildung: Warum sie wichtig ist und was wir fordern

In der Schweiz gibt es derzeit eine Diskussion über inklusive Bildung. Einige Politiker*innen behaupten, dass sie nicht funktioniere, und fordern die Rückkehr zu Sonderschulen. Dabei wird oft vergessen, dass inklusive Bildung ein Recht ist, das in der UNO-Behindertenrechtskonvention (UNO-BRK) verankert ist. Inklusive Bildung bedeutet, dass alle Kinder und Jugendlichen, ob mit oder ohne Behinderungen, gemeinsam in einer Klasse unterrichtet werden. In der Schweiz gibt es zwar integrative schulische Massnahmen, aber viele Kinder besuchen weiterhin Sonderschulen.

Unsere Forderungen

Bund und Kantone müssen sich klar zur inklusiven Bildung bekennen und eine Strategie und wirksame Aktionspläne entwickeln, um sie umzusetzen. Alle Kinder sollen die gleichen Chancen haben, von inklusiver Bildung zu profitieren.

Schulen müssen die nötigen Mittel und die Unterstützung erhalten, um alle Kinder bestmöglich zu fördern. Dazu gehören:

  • zusätzliche Mittel für die Unterstützung der Lehrkräfte und deren Weiterbildung in inklusiver Bildung
  • Beratungsangebote für Eltern
  • Anpassungen der pädagogischen Praxis und flexiblere Abläufe
  • Anpassungen bei der Klassenzusammensetzung
  • bauliche und technische Zugänglichkeit inkl. zugängliches Lehr- und Lernmaterial
  • bei Bedarf Hilfsmittel, unterstützende Technologien und Nachteilsausgleiche

Lehrpersonen müssen in ihrer Ausbildung gut auf inklusive Bildung vorbereitet werden. Menschen mit Behinderungen müssen dabei zwingend miteinbezogen werden.

Simone Leuenberger © Agile/Mark Henley

«Ohne inklusive Bildung wäre ich heute nicht Grossrätin.» (Simone Leuenberger, Lehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin Agile)

Argumente für eine inklusive Schule

Verpflichtung der Schweiz

Die Schweiz hat sich zur Umsetzung der inklusiven Bildung verpflichtet. Das ist in der UNO-BRK Art. 24, (vgl. Art. 24 in der Originalversion Convention on the Rights of Persons with Disabilities) und Art. 8 der Bundesverfassung verankert. Auch die Agenda 2030 fordert eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung.[1]

Bessere Ergebnisse

Kinder mit Behinderungen erzielen in Regelschulen bessere Lern- und psychosoziale Ergebnisse.[2]

Bessere Chancen im Arbeitsmarkt

Inklusiv gebildete Kinder mit Behinderungen haben bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Studien zeigen positive Wirkungen auf die spätere Arbeitsmarktintegration und das Lohnniveau.[3] 

Kein Schonraum nötig

Kinder mit Behinderungen brauchen keinen Schonraum in Sonderschulen. Inklusive Schulen bieten genügend Schutz und fördern die Entwicklung der Kinder besser.[4]

Lösungen für Verhaltensprobleme

Auch für Kinder mit Verhaltensproblemen gibt es Lösungen in der Regelschule. Forschungsergebnisse zeigen Möglichkeiten, um solches Verhalten zu verhindern und die Rahmenbedingungen so anzupassen, dass auch Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten von der Regelschule getragen werden können.[5]

Keine Nachteile für andere Schüler*innen

Schüler*innen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf lernen in inklusiven Klassen genauso gut oder sogar besser. Studien zeigen, dass sie mindestens die gleichen Fortschritte machen, unabhängig davon, ob sie Teil einer inklusiven Klasse sind oder nicht.[6]

Umgang mit Diversität

Inklusive Schulen lehren den Umgang mit Diversität und fördern Toleranz und Akzeptanz. Kinder und Jugendliche lernen früh, mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Voraussetzungen umzugehen. Vorurteile und ableistische Vorstellungen werden so verhindert.

Kosteneffizienz

Inklusive Bildung kostet langfristig nicht mehr, sondern kann sogar Kosten sparen, indem der parallele Betrieb von segregativen und inklusiven Schulen wegfällt und die Ressourcen auf die Regelschulen konzentriert werden. Inklusive Schulen nutzen Ressourcen effizienter und fördern die Chancengerechtigkeit.

Unterstützung durch den Lehrerverband

Auch der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) unterstützt die inklusive Bildung unter der Voraussetzung, dass die notwendigen Rahmenbedingungen erfüllt sind.[7]

Inklusive Bildung ist nicht nur ein Menschenrecht, sondern bringt auch viele Vorteile für alle Kinder und die Gesellschaft. Es ist wichtig, dass wir uns dafür einsetzen und die nötigen Rahmenbedingungen schaffen.

  1. Schweizerische UNESCO-Kommission, o. J. [ ↑ ]
  2. U.a. Bless, G. (2018). Wirkungen der schulischen Integration auf Schülerinnen und Schüler. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik (SZH), Jg. 24, 6–14; Krämer, S., Möller, J., & Zimmermann, F. (2021). Inclusive Education of Students With General Learning Difficulties: A Meta-Analysis. Review of Educational Research, 91(3), 432–478.; Sallin, A. (2022). Estimating returns to special education: Combining machine learning and text analysis to address confounding (arXiv:2110.08807). arXiv. [ ↑ ]
  3.  Sallin, A. (2022). Estimating returns to special education: Combining machine learning and text analysis to address confounding (arXiv:2110.08807). arXiv; Riedo (2000) und Eckhart, M., Haeberlin, U., Sahli Lozano, C., & Blanc, P. (Hrsg.). (2011). Langzeitwirkungen der schulischen Integration: Eine empirische Studie zur Bedeutung von Integrationserfahrungen in der Schulzeit für die soziale und berufliche Situation im jungen Erwachsenenalter (1. Aufl). Haupt Verlag. [ ↑ ]
  4. Schumann, B. (2007). «Ich schäme mich ja so!». Die Sonderschule für Lernbehinderte als «Schonraumfalle». Klinkhardt: Bad Heilbrunn; Reimann, L. (2014, März 13). Kinder mit Behinderung brauchen einen Schonraum/Schutzraum. Inklusionsfakten.de. [ ↑ ]
  5. HfH. (o. J.). Verhaltensprobleme. HfH. [ ↑ ]
  6. Siehe z.B. Meta-Analysen von Krämer, S., Möller, J., & Zimmermann, F. (2021). Inclusive Education of Students With General Learning Difficulties: A Meta-Analysis. Review of Educational Research, 91(3), 432–478 oder von Szumski, G., Smogorzewska, J., & Karwowski, M. (2017). Academic achievement of students without special educational needs in inclusive classrooms: A meta-analysis. Educational Research Review, 21, 33–54. [ ↑ ]
  7. Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH). (2023). POSITIONSPAPIER: VIELFALT BRAUCHT VIELFALT. Gelingensbedingungen für eine inklusionsorientierte Schule[ ↑ ]

Was können Sie tun?

Helfen Sie mit, gleiche Chancen für alle Kinder zu schaffen, indem Sie

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  • unser Engagement für die inklusive Bildung mit Ihrer Spende unterstützen. Egal ob klein oder gross: Jeder Beitrag ist willkommen und trägt zu einer gerechteren und inklusiveren Zukunft für alle bei.

«Nur wenn Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen heranwachsen, wenn sie von- und miteinander lernen, kann Inklusion gelingen.» (Islam Alijaj, NZZ 2024)

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